Coaching ist in aller Munde, die einen preisen es als DIE Methode für und gegen alles, die anderen sehen es als einen oberflächlichen und ärgerlichen Trend.
Es scheint ein Mix aus Beratung, Spiritualität, Psychologie, NLP, Querdenken, Suggestion, Esoterik, positivem Denken, Philosophie und Medizin zu sein. Ernährung, Kommunikation, Bewegung und Achtsamkeit spielen eine Rolle, auf jeden Fall aber führt es zu Erfolg und Selbstoptimierung in ungeahnten Ausmaßen, wenn man den Ankündigungen dieses nach wie vor boomenden Geschäftszweiges glauben schenken will. Etymologisch gesehen entspricht das Wort Coach dem deutschen Begriff Kutsche, was passend ist, denn jemand will von A nach B und jemand anders verhilft ihm dazu.
Jeder kann sich Coach nennen, da es keine geschützte Berufsbezeichnung mit einem einheitlichen Ausbildungsgang gibt. Das ist Fluch und Segen zugleich: Natürlich ist eine Qualitätssicherung nach einheitlichen Standards unmöglich und die wildesten und fragwürdigsten Angebote lassen den Eindruck von Beliebigkeit und ungezügelter Geldmacherei entstehen. Auf der anderen Seite gibt es viel Freiraum für Kreativität, Individualität und hohe Qualität, die sich nur durchsetzt, wenn Menschen zufrieden mit ihrem Coaching sind.
Vielleicht hilft das Bild mit der Kutsche: Wenn Coaching eine Methode ist, um sich in eine gewünschte Richtung weiterzuentwickeln, dann ist es so, als wenn man Kutsche (Auto/Bahn/Flugzeug/Bus/Fahrrad…) fährt, um vorwärts zu kommen. Keine Fortbewegungsart ist an sich besser. Einige haben eklatante Konsequenzen für die Umwelt, sind dafür aber sehr komfortabel. Andere sind sehr riskant, weil sie nicht gut funktionieren oder man nicht die nötige Erfahrung oder das Wissen zur Benutzung hat, manche erweisen sich im Gebrauch als minderwertig. Man kann natürlich auch einfach laufen, allein, mit anderen, mit einem Wanderführer. Einige Möglichkeiten sind langsam, aber umso intensiver; es kann aber auch sein, dass langsam einfach nur langweilig bedeutet. Einige sind unbeliebt, weil eigentlich gar kein Vorteil zu erkennen ist, während andere besonders effektiv, schnell und komfortabel zugleich scheinen. Egal, für welche Fortbewegungsart man sich entscheidet, es hat immer eine Konsequenz – daher wählt man eigentlich eher die Konsequenz, als das Transportmittel selbst.
Genauso ist es beim Coaching. Es kann sein, dass man sich alles ganz anders vorgestellt hat, es kann sein, dass einem die zutage tretenden Zusammenhänge nicht gefallen oder genauer: die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Denn darum geht es beim Coaching – nachdem Zusammenhänge und auf den ersten Blick nicht sichtbare innere mental-emotionale Systeme erkannt und beleuchtet wurden, folgt eine Konsequenz. Weitermachen wie bisher? Das Coaching nun doof finden und ein anderes wählen? Oder sich von dysfunktionalen Mustern verabschieden? Verantwortung ablehnen oder annehmen? Sich tatsächlich weiterentwickeln?
Aus der Sicht des Coaches stellt sich die Frage, wer eigentlich für ein Coaching geeignet ist. Auch hier kommt es natürlich darauf an, von welcher Art Coaching die Rede ist. Die Erfahrung zeigt, dass grundsätzlich jeder mental gesunde Mensch mit einer Absicht für Coaching für ein Coaching geeignet ist, aber bei weitem nicht jeder gleichermaßen davon profitiert. Warum ist das so?
In der Regel tun Menschen viel, um bestimmte schlechte Gefühle zu vermeiden und meist bilden sich mental-emotionale Systeme, um eben diese bestimmten schlechten Gefühle zu vermeiden. Warum also sollte man dieses System, was bis dahin wunderbar dafür funktioniert hat, bestimmte schlechte Gefühle zu vermeiden, verlassen oder auch nur in Frage stellen? Nicht jeder sieht darin einen Nutzen für den es sich lohnt, sich – gegebenenfalls zwischenzeitlich auch mit schlechten Gefühlen – weiterzuentwickeln.
Coaching funktioniert also vor allem dann, wenn man erkennt, dass das bisherige System zwar für das Vermeiden bestimmter schlechter Gefühle funktioniert hat, nicht aber für irgendetwas anderes. Wenn deutlich wird, welchen Preis die Aufrechterhaltung dieses Systems kostet und wenn es eine starke neue Absicht gibt.
In diesem Sinne: Es hilft enorm, wenn der Kutscher sein Metier versteht UND der Insasse der Kutsche entscheidet über die Reise und das Ziel.