So langsam wird es Zeit, es ist bereits Oktober. Seit Mai steht allerspätestens diese Frage im Raum, ist Dauerbrenner bei jeder Familienmahlzeit, unter noch immer befreundeten Ex-Krabbelgruppenmüttern, bei jedem Telefonat mit Oma, am Infotisch bei der Job4You-Messe, im Ehebett besorgter Eltern. Was so vielversprechend anfing (Mathe-Olympiade! Kinder-Uni! Experimente-Baukasten!) erweist sich nach dem Abi, nun oft als ein gleichermaßen unkontrollierbarer wie richtungsloser Ritt durch die Welt diverser Spirituosenmixgetränke und Chillmodi. Das noch zu kreierende nächste Lebenslevel ist nur leider allzuoft kein Anlass zum Feiern, sondern eher zu Konflikten, Verweigerung und Resignation – jetzt schon!
Wer ist jetzt eigentlich gefragt: Der Jugendliche, dessen Leben nun in ganz neuer Qualität startet oder die Eltern, die in der Regel die Ausbildung finanzieren und die Gesamtverantwortung bei sich sehen? Zu 100 Prozent beide. Wie immer. Wie überall. Wie in jeder anderen Beziehung auch.
Das Mindset des Jugendlichen war bis jetzt vielleicht von vielerlei eingefahrenen Reaktionsmustern geprägt, die im Wesentlichen aus versteckter oder offener Rebellion gegen die Eltern gefüttert waren. Ab jetzt wäre eine Neudefinition von Grundüberzeugungen und Glaubenssätzen hilfreich, die das eigene Selbstbild in Richtung Integrität verschiebt, Verantwortung bejaht und Lebenslust in Einklang mit eigenen Entscheidungen bringt. Man könnte sogar soweit gehen und sich in diesem Lebensabschnitt fragen: „Stell Dir vor, Du hast ein Leben geschenkt bekommen und kannst frei wählen? Was würdest Du damit anfangen?“, wissend, dass die Welt einem nichts schuldig ist (nein, auch nicht Mama und Papa). Ist Bedingungen erfüllen, um ein Ziel zu erreichen lästig und erzeugt Widerstand oder ist Bedingungen erfüllen, auch wenn sie unangenehm sind, Ausdruck von Commitment zu den eigenen Zielen?
Und auch Eltern, die ihre gesammelten Überzeugungen und Standpunkte bislang in pädagogischer Absicht an ihre Nachkommen adressiert haben, tun allen, insbesondere sich selbst, einen großen Gefallen, wenn sie die Entscheidungen ihrer Kinder explizit respektieren, ihnen Vertrauen und uneingeschränkten Rückhalt geben und deren Wahl zustimmen. Finanzielle Unterstützung kann dabei an Bedingungen geknüpft sein, auch die Kommunikation kann klar und eindeutig sein und Eltern müssen auch nicht alles gut finden, was ihre Kinder für sich entscheiden – aber eine mentale pädagogisch-besserwisserische Grundhaltung wirkt der Aufrechterhaltung einer herzlichen familiären Vertrauensbeziehung in der Regel stark entgegen. Eltern, die ihre Kinder noch immer kontrollieren wollen, bringen damit ihr grundlegendes Mißtrauen zum Ausdruck und machen es ihren Kindern damit unnötig schwer – und das, obwohl sie eigentlich das Beste beabsichtigen.
Wenn also beide Seiten zu 100 Prozent verantwortlich sind, dann ist eines auch klar: Respekt vor dem anderen und dessen Standpunkten ist keine Einbahnstrasse. Mit Besser-wissen und Entwertung könnte die Beantwortung der Frage: „Und, Weißt Du schon, was Du nach der Schule machen willst?“ zur Gretchenfrage werden. Dann ginge es nicht darum, die Frage zu beantworten oder Interesse zu bekunden, sondern um einen Machtkampf, der Fronten aufbaut anstatt sich dieser Frage ernsthaft zu widmen.